Ein schönes Thema. Konsum? Warum ’aussteigen’?

 

Wie war/ist das bei mir? Mal Nähkästchen plaudern?

 

Erst mal: Ein 'typischer Konsument' war ich nie.

Und auch heute schaue ich manche Sachen zwar an,

aber ich habe immer das Gefühl, ’so etwas nicht zu brauchen’.

Kann sein, nett-zu-haben, aber brauche ich es?

Ich habe immer erste Wahl Material gehabt, weil das Leben zu kurz ist für schlechte Klamotten, Werkzeug.

 

Im Beruf –und das war ja mein Leben- ging es im Hirn oft kunterbunt zu. Stichwort: Computer-Entwicklung.

Irgendwann kommt das Hirn dann an den Punkt, immer wieder im Kreis zu denken. Du mutierst regelrecht zu einem Computer, zu einem noch unbekannten Computer. Ohne diese Wandlung kommt da nichts raus.

 

Eines Tages, nach Jahren vielleicht, dämmert dann aber doch die Erkenntnis, daß da irgend etwas nicht stimmt. Es fehlt etwas. Unbestimmt zwar, aber etwas fehlt. Du holst zwar Luft, und Du isst auch, aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

 

Wie, schon wieder neue Blumen? War doch erst vor einem Jahr -oder so?- der Fall. Der Sommer ist vorbei, und wurde nicht bemerkt. Oder waren es zwei Sommer? Hatten wir nicht erst gestern Weihnachten?

Gibt es die Familie eigentlich noch? 

Dann kommt die brennende Idee, doch noch 'etwas anderes' zu machen.

 

Bei mir war das immer Bergsteigen.

Jetzt Fahrradfahren.
Und Fotografieren (früher zu Rollfilmzeiten mal gelernt).

 

Und was stellte ich fest?

Da gibts ja noch eine Welt außerhalb der Chips, außerhalb der Programme. Außerhalb des Teams. Außerhalb des Labors. Ohne Elektronik.


Die Herausforderung, diesen Berg, diesen Gletscher noch zu schaffen. Und auf dieser Hütte noch zu übernachten. Mal zu Jassen. Einem Steinbock auf Meterentfernung plötzlich ins grimmige Bernstein-Auge zu schauen. Auf einem Geröllfeld mit voller Hose auf den Abgrund zuzurutschen.

 

Und abends vor der Berghütte auf 3000 m Höhe zu sitzen. In absoluter Stille. Nichts, gar nichts. Auf der einen Seite Piz Bernina, Piz Palü; im Rücken Piz Kesch (alle Links unten), den Du morgen von oben sehen wirst. Weißbehäuptet in der versinkenden Sonne das Engadin. Und Sterne in einer Menge, die Mensch im Flachland nie zu sehen kriegt.

Da denkst Du an Deine Sternwarte mit allem Schnickschnack und an das Anwesen, das Dir weggenommen wurde, weil jemand eine große Rechnung nicht bezahlte – und Du selber mit leerem Beutel die Ohren hängen lassen musstest.

 

Diese Erkenntnis am Berg hat dann bewirkt -jedenfalls bei mir-, daß ich vollkommen ein Teil dieser realen Welt wurde. Ein Labor gibt es dann nicht mehr. Es ist eine Herausforderung und ein Genuss, von dieser realen Welt so viel wie möglich mitzukriegen.

 

Und im Nachhinein stellst Du fest, daß Du zu zweit so viel gesehen hast, wie mit zehn Augen.

Weißt Du, was Du da auch feststellst? Da stellst Du fest, daß Du gar nicht so viele materielle Dinge gebrauchen kannst.

Ich habe dreimal im Leben den gesamten Hausstand ’weggegeben’; es tat mir nicht mal leid.

 

 

Auf der anderen Seite denkst Du aber auch daran, was wäre wenn... 

...wenn es überhaupt keine Computer gäbe.

 

Da fragst Du Dich, ob es die Sache wert ist, so tief in dem Beruf aufzugehen. Dass also erst die Ideen, genau Deine Ideen, es mir (und anderen) letztendlich ermöglichen, jetzt auf dem Berg zu sitzen und nicht im sibirischen Gulag Steine klopfen zu müssen. Oder in irgend einem Kampf mit einem Dreschflegel auf Deinen ’Feind’ einprügeln zu müssen.

Und dann denkst Du daran, was Du im Gulag hättest; nämlich gar nichts. Nicht mal Recht. Du müsstest alle schwere Maloche selber machen.


Da kommst Du dabei zu dem Schluss, dass Du sowas von
zufrieden bist. Aber sowas von zufrieden. Die Gier nach mehr und besser verfliegt total. Hast Du auf einmal gar nicht mehr. Auch der Neid auf Deines Nachbarn Auto ist weg, verflogen. Lass sie doch dreimal im Jahr nach Kenia fliegen, da war ich schon. Oder nach Timbuktu. Nichts Neues.

 

Irgendwann kommst Du auch dann noch zu der Erkenntnis,

daß Du mit dem was Du hast, ganz gut leben kannst.
Du brauchst nichts an mehr, besser, schneller, neuer, teuerer, blinkender, lauter. Stattdessen bist Du einfach zufrieden, neidlos, dankbar zufrieden.

 

Mehr als ein Kotelett am Tag kannst Du auch nicht essen.
Ich brauche nicht unbedingt jeden Tag in der Kronenhalle am Zürcher Bellevue zu dinieren. Es tut auch eine Bratwurscht mit Fritten. Fasten schadet auch nicht. Klar darf auch mal ne ordentliche Ladung Sprüngli Leckerlies dabei sein.

 

Und was Du noch feststellst, das ist diese ’Unruhe’ um Dich herum; der Bienenschwarm. Diese Unruhe fängt an, Dich abzustoßen, zu beunruhigen. Was machen die Leute nur, warum hetzen sie so? Warum sind sie so ruppig? Und Du erinnerst Dich an Deine Berufszeit: Mensch, ich war ja noch schlimmer. Aber halt, nein, ruppig war ich nie.

 

Egal, was Du auch tatest ... die Zeit lief – für alle genau gleich schnell. Und Du hast die Zeit gar nicht kaufen können, nicht eine Tausendstel Sekunde - obwohl Du auch eine fleißige Biene (gewesen?) bist.

 

Hast Du das dann alles mal geschnallt, da wird diese Hetze, der Drang nach mehr, besser, schneller, schöner auf einmal total nebensächlich, lächerlich. Befreiung der Gedanken. Gelassenes Handeln.

 

Und weißt Du was? Du kannst Dich auf einmal ausschließlich einer einzigen Sache vollkommen nach Deinem Gusto widmen. Du brauchst zum Überleben nicht drei Sachen gleichzeitig um die Ohren. Dein Partner ist Dir wichtiger als der Krimi im TV. Niemand wird Dich hetzen, niemand wird Dich nötigen, niemand kann Dich auslachen, weil Du keinen Besitz im herkömmlichen Sinne hast. Zeigt jemand mit dem Finger höhnisch auf Dich, um Dich lächerlich zu machen, dann lass ihn doch. Keinen Hass! Du musst Dich darum nicht kümmern.

 

Musst Du denn immer Recht haben? (das TAO hat dazu eine nette Geschichte).

Reicht Dir Dein Charisma, Deine Gelassenheit nicht?

 

Auf einmal kannst Du auch Bahnfahren ohne lesen oder gar TV sehen zu müssen. Höre, Du fährst Bahn, auch zu dem Zweck, Dir die Gegend anzuschauen. Vielleicht kommst Du nie mehr dort hin. Und Du hast es verpasst, Dir den schönen Dom anzuschauen. Oder Du hast das Gespräch mit dem Nachbarn gar nicht ingang gebracht. Eine Chance verpasst. Die Chance Deines Lebens? Du wirst es nie erfahren, weil Du ja den reißerischen ’Stern/Focus’ lesen musstest. Oder den schwachsinnigen Komik auf dem winzigen Bildschirm sehen musstest.

 

Ich denke, daß auch ein Pilger genau diese Empfindungen erlebt, erleben kann. Nämlich den ganzen Budenzauber abzustreifen. Die nackte Welt, das Dasein wahrzunehmen und zu genießen. Daß die Welt für ihn da ist, genau für ihn, für ihn der nie mehr wieder kommt.

 

Zudem noch das Gefühl der Gemeinschaft. Nicht das schlimme Gefühl, im Beruf besser sein zu müssen als Dein Konkurrent. Als Dein Konkurrent, der auch leben möchte. Vielleicht ginge es dem auch besser, wenn er einfach ’leben’ würde; dem Kommerz den Rücken dreht; der Werbung die Zunge rausstreckt; die aufdringlich vorgetragenen Werbespots einfach dämlich und scheußlich findet. Nicht die noch größere Bandbreite mit 325 Kanälen am Kabel-TV braucht – für nur 3.80 Euro.

Glaubt mir, es geht total ohne den ganzen Krempel. Und es geht gut, sehr gut; besser geht’s gar nicht.

 

Sollte daher der Spruch stammen:
Was ich nicht habe, das brauche ich nicht.

 

Ich habe das auch erst in den letzten Jahren regelrecht gezeigt gekriegt und gelernt. und wer es mir erzählt hat, der hat DEN Stein in meinem Brett. Und lebenslang den besten Platz in meinem Herzen- vielleicht sogar noch länger, nur wer kann das sagen. Aber das darf ich mir doch wünschen.

 

Noch zum Abschluß.

Ein ’bissl’ bin ich auf der Welt herumgekommen. Daher: Alle haben die selbe Zeit, nur die Deutschen haben die Uhr erfunden. Ich habe seit Jahrzehnten keine Uhr, kein TV, keine Zeitschrift. Keinen Tullus. Ja, ich musste leider auch vor gar nicht langer Zeit etwa 5000 Bücher ’entsorgen’.

Und ich sorge rigoros dafür, daß es mir selber in erster Reihe immer gut geht. In dieser ersten Reihe sitze ich auch immer. Auch das habe ich gelernt.

 

Nicht daß ich nicht helfen würde ...
aber ich gebe nur Anregungen,
machen muß es der/diejenige immer selber. Das erheblich übertriebene Helfersyndrom hab ich mir rigoros abgewöhnt. Ich habe aber die fast endlose, ungestörte Muße, jemandem intensiv zuzuhören, mich in jemanden hineinzudenken. Und dann –bei Bedarf!- einen Rat zu geben.

 

Spirituelle Sachen (z.B. Kirche) leide ich an mir gar nicht. Wohl auch weil ich das für ausbeuterischen Dummfug halte.

 

Und warum kann ich mir das alles so erlauben?
Weil ich nichts haben muß, was ich nicht hätte – und was ich auch nicht brauche. Ich habe Zufriedenheit. Das hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun. 

Und wer mich jetzt beneiden mag oder mich für bescheuert hält – der ist mir egal.

 

Und seit ich das so halte, gehts auch dem meinigen Umfeld gut.

 

Und wenn die Letzte Klappe fällt, weißt Du, dann ist es auch gut.

 

 

 

 

  • Piz Bernina https://de.wikipedia.org/wiki/Piz_Bernina  
  • Piz Kesch https://de.wikipedia.org/wiki/Piz_Kesch
  • Piz Palü https://de.wikipedia.org/wiki/Piz_Pal%C3%BC 

 

 

 

 

 

Es kann sein, daß ich an diesem Artikel noch etwas feile und auch Punkte hinzufüge.

 

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