Bericht über meine Reise in meine alte Heimat im Osten; ehemals Brandenburg, jetzt auf polnischem Gebiet, dem östlichen Oderbruch.
Zu Kriegsende im Winter 44/45 zog die russische Armee durch die Schneise Oderbruch über Frankfurt/O in Richtung Berlin. Es wurde restlos alles auf diesem Wege plattgemacht, auch unser beschauliches Dorf. Berechtigt, weil sich dort Partisanen und versprengte fanatische Soldaten der ehemaligen Wehrmacht versteckt hielten. Ich habe sie gesehen, Gefallene im Blut, vom Panzer Zermalmte, Familien, die auf ihrem Gehöft erschossen wurden. Die Bilder vergisst du nie.
Welch fataler Wahnsinn - eine Wehrmacht, die eigentlich dafür vorgesehen ist/war, die Heimat gegen Überfälle zu schützen, genau diese sorgte dafür, dass diese Heimat und deren Menschen zerstört werden mussten.
Heute stelle ich fest, daß das Wort 'Heimat' schon eine besondere Bedeutung für mich hat. Diese Bedeutung wurde mir erst nach vielen Jahrzehnten klar. Es tut schon herbe weh, dieses Fleckchen entrissen zu kriegen, was von vielen Vorfahren (Slawen/Sorben, Hugenotten?) gegründet wurde. Wer war das? Muss ja jemand aus grauer Vorzeit gewesen sein, der auch zu unserer Familie - oder ich zu deren Familie gehört. Fragen kann ich keinen mehr. Nur sprachlos vor einem gigantischen Haufen Gestrüpp der ehemaligen Heimat stehen.
Aber dann kommt die Idee, was wäre dort für mich möglich gewesen? Landwirtschaft? Fischfang, Holzwirtschaft, ...? Hätte ich dort je die Welt gesehen? Vermutlich nicht. Und das tröstet jedenfalls mich über jenes Heimweh hinweg. Die Welt habe ich weiß Gott nicht nur gesehen, sondern auch erlebt.
Wort an die Folgegeneration(en): Fahrt lieber nicht dort hin, um eventuell zu sehen, was da wurde oder noch sein mag. Es ist nichts mehr da - außer dieser Gegend mit Gestrüpp und den zwei Seen Glambach und Zaupensee. Zum Glambach brachte ich unserem Vater oft das Mittagessen im Henkelmann; denn er hielt dort die Böschungen instand. Das war eine seiner Aufgaben als Gutsverwalter. Ab und zu brachte er auch einen Fisch heim. Wir hatten auch einen sehr zahmen Ganter Christian, der sprang auf den Schoß und nahm dem Vater das Brot weg. Mein Hündchen war ein Terrier, er hieß Murfie. Der wurde erschossen, weil er typisch für diese Rasse 'mannsicher und laut' war, und wohl auf einen Soldaten losging; ob Russe oder Deutscher war nicht festzustellen.
Die Namen unserer Haustiere lassen unsere Herkunft eher als Hugenotten erahnen. Auf der anderen Seite lernte ich in drei Wochen eine slawische Sprache, was eher auf eine andere Herkunft (Sorben?) deuten könnte. Es lässt sich nicht mehr feststellen, weil ich aus dieser Generation und aus dieser Gegend der 'Letzte Mohikaner' bin. Auch deswegen dieser Bericht. Weitere Nachrichten könnten in anderen Rubriken erscheinen; hier gehts ja nur um die Einleitung.
Wer das Original kennt, dem tuts weh, der nimmts mit ins Nirvana. Wer es nicht kennt, der findet dort nichts. Falls der Flecken überhaupt zu finden ist.
Ja, es gibt einen Gedenkstein bei der Försterei, der an Verbundenheit zu Polen und den damaligen Deutschen mahnen soll, an den jetzigen Heimatverein.