Dieser Beitrag stammt nicht aus meiner Feder.

 

Boa Natal oder frohe Weihnacht!

 

Feiern Madeirenser das Weihnachtsfest anders als es in Deutschland gefeiert wird?

Ja, das tun sie, weil sie die Geburt des Jesuskindes nach alter Tradition feiern.

 

Die Vorbereitungen fangen schon im Oktober an. Denn die gesamte Insel wird in ein Lichtermeer eintauchen. Nicht nur die Hauptstadt Funchal wird mit vielen bunten Lichterelementen geschmückt, nein, das genügt nicht! Alle Straßenzüge der Insel bekommen Lichterketten mit weiß leuchtenden Glühbirnen.

Ihr könnt Euch bestimmt vorstellen, wie herrlich das aussieht.

Wenn man am Abend auf der Schnellstraße von der West- zur Ostküste fährt, sieht man das gesamte Lichterbild vor sich. Oder wenn man in Funchal im Hafen in einem kleinen Restaurant sitzt, und das im Blickfeld liegende Panorama der Insel betrachtet, taucht jeder gedanklich in eine andere Welt ein. Nicht nur Kinderaugen fangen an zu strahlen, auch Erwachsene haben Sterne in den Augen.

 

Tja, bis die vielen Kilometer der Lichterketten befestigt sind, das dauert natürlich einige Wochen.

Und dann kommt der Tag, auf den alle warten:

Mit riesigem "Tamtam" wird im November für Funchal der Start gegeben, die Beleuchtung einzuschalten.

Es geht natürlich nicht, dass alle Straßenzüge auf einmal eingeschaltet werden (das gesamte Stromnetz würde zusammenbrechen).

Alle paar Minuten erstrahlt deshalb eine andere Straße in ihrer Lichterpracht. 

Mit "Tamtam" meine ich, dass eine Bühne in der Stadt aufgebaut wird.

Dort treten einige Musikgruppen, die typischen Folkloregruppen, sowie Blasmusiker auf und geben ihr Bestes.

 

Am ersten Advent wird die schon bis dahin installierte Beleuchtung der gesamten Insel eingeschaltet. Es gab aber schon Jahre, da schafften sie es gerade zum Fest, alle Lichterketten angebracht zu haben. Ein paar Tage vorher großes Rätselraten: Schaffen sie es oder schaffen sie es nicht?

Wenn die Madeirenser es in einem Jahr nicht pünktlich schafften, alle Lichterketten zum 1. Advent zu installieren, regte sich niemand darüber auf.  Nein, das tun sie nicht, es wird einfach hingenommen, weil Madeirenser sehr viel Toleranz besitzen und wissen, dass auf jeden Fall noch alles fertig wird ...  nur etwas später.

 

Im Monat Dezember finden die größten regionalen Events statt.

Es ist der Monat des Festes - wie auf Madeira die gesamte Zeit von Weihnachten bis zu den Neujahrsfeierlichkeiten bezeichnet wird. Es ist eine Zeit, die von den Einheimischen intensiv begangen wird und erst am 6. Januar endet.

 

Funchal verwandelt sich während dieser Zeit in eine lebensgrosse Weihnachtskrippe. Die Straßen sind mit Blumen und bunten Lichtern in allen Grössen, die Weihnachtsmotive darstellen, geschmückt. Auf den Plätzen erklingt klassische und volkstümliche Musik verschiedener Musikgruppen, die alle Zuhörer mit ihren Klängen verzaubert. Daneben ist eine vielfältige Weihnachtsdekoration zu bewundern, wahre Kunstwerke der lebendigen Traditionen Madeira's.

 

Während der Zeit vom 1. Advent bis zum Heiligen Abend werden in den einzelnen Orten Krippenbauten vorbereitet. Da wird aus Brettern eine kleine Hütte zusammengenagelt, die außen mit vielen grünen Zweigen geschmückt wird. Es stehen viel Obst, reichlich Weihnachtssterne und die Orchidee des Frauenschuh's drin. (Der Frauenschuh blüht hier zur Weihnachtszeit).

In den kleineren Orten werden die Krippen von der Bevölkerung gestaltet. Sie legen ihr Geld zusammen und kaufen die Figuren für die Krippe. Dazu gehört auch die Beleuchtung. In diesen Krippen steht eine kleine Sparbüchse; dort kann man dann etwas Geld einwerfen, welches für die Anschaffung neuer Gegenstände für das folgende Jahr genommen wird. Am Heiligen Abend, sobald es dunkel ist, stehen einige Bewohner an den Krippen und fangen schon an, die bevorstehende Geburt zu feiern. Da wird ein Musikinstrument geholt, und es wird gesungen, Wein oder andere alkoholische Getränke getrunken. Die Keksdose wird gereicht, und alle haben Freude.

Kommt man selbst an solch einer Krippe vorbei, ist es Pflicht anzuhalten, die Krippe zu bestaunen und die Leute für ihren Fleiß zu loben. Natürlich bekommt man sofort ein Glas in die Hand gedrückt, oder sogar die Flasche, aus der man einen Schluck nehmen muss. Selbst sollte man auch etwas zum Anbieten dabei haben. Ich nehme immer Selbstgebackenes mit, welches ich dann verteile.

Auch in jeder Kirche wird eine Krippe gebaut. Allerdings ohne Häuschen drumherum. Mit sehr viel Liebe und Sorgfalt bemühen sich Frauen, Männer und auch Kinder, die Geschichte von Maria und Josef mit Figuren zu erzählen. Einige Tage vorher werden in vielen Blumentöpfen Linsen gekeimt. Diese Töpfe werden dann in die Krippen gestellt und drücken die Symbolik aus: „Immer Nahrung für die Bevölkerung.“

In der Kirche im Ort Assomada wird die Krippe mit lebenden Figuren dargestellt. Sogar eine Mama mit ihrem Baby sitzt in der historisch nachgebauten Unterkunft. Der Papa kommt ab und zu auch dorthin. Diese Mütter wechseln sich alle 2 Stunden ab. Das heißt, alle 2 Stunden kommt eine andere Mama mit ihrem Baby.

Am 24. Dezember, weit vor Beginn der Mitternachtsmesse bis zu deren Ende, und am 1. Feiertag bis zum Dunkelwerden wird diese Vorstellung zelebriert.

 

Noch etwas Typisches für die Insel, was ich euch erzählen möchte.

Früh genug werden ein oder mehr Ferkel gemästet, sodass es am 6. Dezember, oder ein paar Tage später, schlachtreif ist.

Die gesamte Nachbarschaft beteiligt sich an der Anschaffung und Fütterung der Tiere.

Wenn ein Nachbar sehr arm ist und sich an den Kosten in dem Maße wie die anderen nicht beteiligen kann, ist das für niemanden ein Problem.

Die Schlachtung ist ab 6. Dezember, und dann wird das Ferkel gegrillt. Alle sind herzlich eingeladen und können auch Freunde mitbringen. Es wird ein riesiges Fest veranstaltet, wieder mit Gesang und allem was dazu gehört.

So in dieser Art feiern auch Firmen ihre Weihnachtsfeiern.

 

 

Noch etwas Typisches …

9 Tage vor dem 24. Dezember, also am 15., werden in fast allen Orten auf der Insel früh morgens, das heißt zwischen 4 Uhr und 9 Uhr, Raketen abgeschossen. Das haut manche Leute aus den Betten.

Jeder Tag steht symbolisch für einen Monat der Schwangerschaft.

 

 

 

Erzählen möchte ich noch ...

Die Hektik, die in Deutschland aufkommt, die gibt es hier nicht; alles ist viel zurückhaltender. Natürlich besorgen die Madeirenser auch Geschenke, die allerdings sehr bescheiden ausfallen. Vor allem viele Nahrungsmittel, weil das ein ganz wichtiger Familientag ist, und die Familien hier sehr groß sind. Viele Madeirenser arbeiten seit Jahren im Ausland oder auf dem Festland und kommen Weihnachten nach Hause zur Familie.

 

 

Am 24. Dezember sind die Geschäfte noch bis 19 Uhr geöffnet.

Der Tag „Weihachten“ fängt für die Einheimischen erst um Mitternacht an. Gegen 22 Uhr trifft man sich in den einzelnen Orten vor oder in der Nähe der Kirche. Dort wird eine Kleinigkeit gegessen und getrunken. Vor der Kirche wurde schon am Nachmittag eine Bühne aufgebaut.

Und dann geht dort die Post ab!

Da wird richtig fetzige Musik gemacht, die Leute singen mit, und Lautsprecher übertragen Musik und Gesang in den ganzen Ort. Das geht bis 24 Uhr. Um Mitternacht fängt dann die Christmette an. Die Kirche ist brechend voll, doch da muss man nicht unbedingt einen Platz haben; denn die Predigt wird über   Lautsprecher in den ganzen Ort übertragen. Nicht dass andächtig und still gestanden oder gesessen wird. Nein, es wird weiter getrunken und eine Kleinigkeit aus der Hand gegessen. Es wird sich unterhalten, Kinder laufen umher und singen die Lieder lauthals mit. Andere Kinder schlafen auf der Wiese oder auf einer Bank (das frühlingshafte Wetter erlaubt das).

 

Sobald die Mette vorbei ist, sie dauert 1 Stunde, geht das Treiben erst richtig los. Da wird die Geburt Jesu richtig gefeiert. Auf der Bühne geht wieder die Post ab. Madeirenser laufen mit ihren Musikinstrumenten umher. Man schließt sich an und singt die Lieder mit, hat Freude bei den Tänzen, zu denen jeder herzlich eingeladen ist. Am liebsten haben Einheimische, wenn Touristen die Freude teilen und sich dem anschließen.

Das gesamte Spektakel kann dann bis in die frühen Morgenstunden gehen. Ich selbst war manches Jahr erst gegen 4 Uhr morgens zu Hause.

 

Am 25. Dezember ist es ganz wichtig, sich um die Familie zu kümmern. Die Bescherung findet statt, und alles ist sehr gemütlich. Der Kirchgang ist natürlich sehr wichtig. Es wird Picknick eingepackt, und man fährt an irgend einen Grillplatz, die es in reichlicher Auswahl hier auf der Insel gibt.

Das ist der einzige Tag, an dem alle Restaurants, Cafés oder sonstigen Einkehrmöglichkeiten geschlossen sind.

 

Der 2. Weihnachtstag wurde bisher nicht gefeiert.

Seit einigen Jahren bürgert sich aber dieser Tag langsam auch hier als Feiertag ein; trotzdem werden Supermärkte und einige Geschäfte weiterhin geöffnet haben.

 

Ab 27. Dezember bereitet sich Madeira auf die Silversterfeiern vor.

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