Der Fahrstuhl

 

Wenn ich in Deutschland bin, und das kam in den 70 Jahren schon mal vor, dann wohne ich jetzt in einem kleinen, schnieken Apartment. Im 8. Stock eines sauberen Hochhauses in einem weltbekannten Bade-Kurort. Mit eigener Feuerwehr sogar. Und auch mit Bahnhof. Der Blick aus dem Fenster zeigt mir ein schönes Spessarttal.

Mitten hindurch fließt die Salz. Ja, die. Das ist das Flüßchen, in das ich mal ein Rudel schimpfender Waschbären scheuchte; das ist aber eine ganz andere Geschichte.

 

 

Und hier gibt es natürlich auch einen Aufzug. Zweie sogar, aber es kommt immer der andere.

Ein böser, garstiger Aufzug; das ist immer der der kommt. Pscht, ja nicht nicht weitersagen.

 

Und das ist so:

Meine Radtouren dauern ja nun schon mal ein paar Stunden – jedoch irgendwann komm ich ja wieder in den heimatlichen Hafen eingelaufen. Dann steht der Drahtesel in der Garage, und ich trete die letzten Meter füßlich an.

 

Die führen über den Hof, zum Hintereingang im Keller. Nämlich alldieweil das Haus ja am Hang steht. Und den Weg zum Fahrstuhl fände ich auch noch im Dunklen.

 

Und siehe da, mich lacht die Taste an, mit der ich den Fahrstuhl rufen kann.

Und jetzt kommt das Miststück in Aktion. Und das, genau das, ist die pure Bosheit an dem Fahrstuhl. Die Chance auf die er die ganze Zeit, als ich unterwegs war, gewartet hat. Seine Chance. Seine einzige. Nur diese.

 

Kaum daß du nämlich diese Ruftaste drückst, durchfährt es dich. Böse, pure Pein. Tierisch. Nicht etwa von oben bis unten durchfährt es dich. Nein, du selber bist die Pein, nur noch Pein, ganz. Schmerz. Unabwendlich. Alles andere ist urplötzlich weggeblendet. Umgewandelt in helle Panik.

 

Du musst pinkeln.

Nur noch eins: pinkeln.

Jetzt, sofort, auf der Stelle.

Nicht vorher, nein jetzt.

Und ‚ganz dolle’ ist harmlos.

 

Und –hampel hampel- dann kommt der Fahrstuhl auch ‚schon’. Schön gemächlich, und so geht auch die Tür auf.

Peinlich.

 

 

Der 8. Stock ist ja bald erreicht. Denkst du.

Er wäre es, wenn nicht in Parterre der liebe Mensch mit der Dogge einstiege.

Und bei Doggen im Fahrstuhl hampelt man nicht rum. Schaukelt nicht von einem Bein aufs andere. Da wird strammgestanden. Und die Luft angehalten. Nicht nur die Luft.

 

Die Dogge will ja auch nur mal spielen?
Und der Mensch fragt, ob ich Hunde gern habe.
Ja, aber wirklich. Momentan jedoch eher so gern wie einen zweiten Kropf.

 

Die Töhle schnüffelt so an mir rum? Sollte da schon was passiert sein? Oder soll ich nur kraulen, obwohl ich anderes im Sinn habe.

Wer weiss das schon? So genau kann man das nicht mehr kontrollieren. Die Pein ist durchschlagend überwältigend. Penetrant. Instig.

 

Jetzt aber auf zum 8. – die Dogge fährt mit, und später weiter bis zum 10.

 

Der 5. Stock ist geschafft.  

Dort wohnt Astrid, deren PC auch alle Nase lang im Eimer ist. Manchmal wundert es mich schon, was man alles erfinden kann,

um ne Tasse Kaffee loszuwerden. Komisch ist auch, daß an dem PC nie wirklich was kaputt ist. Da kommste dir schon richtig dämlich vor.

 

Der Fahrstuhl wird doch wohl jetzt nicht im 6. Stock auch noch anhalten…

Da wohnt nämlich die Russin. Die mit der saueren Ziegenmilch.
Und dem auch ewig kaputten PC.

Schalalalaah, doch eben anhalten. O-O. Ruhig Grauer, ganz ruhig!

Nein, es ist nicht die freundliche Russin, es ist ihre Bekannte.

 

Ob es mir vielleicht nicht so gut geht?
Sie sieht wohl die Tränen in meinen Augen.
Natürlich geht’s mir –zum Teufel- sehr sehr gut. Harhar. Vsechno jasne. Alles klar doch.
Wenn ich denn nur erst im 8. Stock wenigstens aussteigen könnte.

 

Klar kommen jetzt ihre Worte: ‚Povetz…’

Das heisst übersetzt: ‚Sage… mir….’

Und in Klartext heisst das: ‚Du müsstest mal bei der netten Russin den PC reparieren’.

Gottseidank habe ich gerade einen ‚Hustenanfall’ in der Hose.

So verkneife ich mir die Antwort.
Und sie ist wohl sauer. Anstelle der Ziegenmilch, die es nach der PC-Kur immer gab.

 

8. Stock, good heavens!

Jetzt nur noch raus, an der Dogge vorbei ohne deren Unbill zu erregen.

Und an der Russin vorbeiquetschen ohne das üppige Oberteil aus den Augen zu lassen.

Steigt sie absichtlich nicht mal eben aus, daß ich vorbeikönnte ohne am Oberteil zu raspeln?

Passt gerade so recht in die Situation.

 

Nur der Schlüssel passt natürlich nicht, den ich seit drei Jahren habe. Der passt aber nur nicht, weil die Hand so zittert. Und nicht nur die Hand. Und die Kontrollinstrumente sind auf ein anderes Objekt ausgerichtet.

 

Endlich, endlich, nur vorsichtig sanft weiter schluffen.
Das Kloh ist ja nicht plötzlich woanders hin ausgewandert?

 

Jetzt den Gürtel weg, die Hose runter –so ist das nun mal-, auch bei anderen. Total egal.

Dann die enge Radfahrerhose runter – vorsichtig den Deckel anheben, ja nicht zu sehr bücken dafür - und hinsetzen.

 

Ahhh, welche Wohltat.

Nur – komisch - es plätschert gar nicht, und es wird so warm im Schritt.

 

Waaaaaaaaaaaaah!

Die Unter-Unterhose wurde vergessen.

Nagut, die musste sowieso mal wieder gewaschen werden. Und es gibt Schlimmeres.

 

Und dann ist es gut. Sehr gut, und du weißt wieder wie schön das Leben ist.

Der Fahrstuhl kann dir gestohlen bleiben, der ist auf einmal total lächerlich unwichtig.

Nur die Beckenmuskeln spür’ste noch ne Stunde.

 

Und den Fahrstuhl werde ich jetzt lieber nicht mehr beschimpfen;

denn der könnte ja auch mal stecken bleiben. Nur so zum Spaß.

Da hülfe dann auch die Dogge nicht mehr zum Dichthalten.

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