Madeira-Impressionen

 

 

Als guter Bekannter der Herausgeberfamilie des ursprünglichen Visit-Madeira Blogs schreibe ich meine Eindrücke, meine Empfindungen, während der ersten Besuche auf der Insel.

Wer Madeira auch nur ein einziges mal besucht, der wird nicht mehr von dem einmaligen Liebreiz dieses Fleckchens Erde loskommen.
Der wird mich verstehen, und er wird wiederkommen.

Den Namen Madeira kannte ich bisher nur als Wein. Aber was sagt schon Wein einem Menschen, der nur mal ganz wenig davon trinkt. Aus diesem Wein wurde jetzt die Insel.

 

Madeira – was, wer und wo ist das?
Wer hätte gedacht, daß es für mich der schönste Fleck auf Erden wird. Durch viele Gespräche, durch viele Bilder, durch mitreißende Begeisterung und durch Willkommen gespannt geworden, wurde Madeira für mich schon vor dem eigentlichen Besuch spannend. Spannender als alle anderen Orte, die ich kenne.

Die Wirklichkeit übertraf alles Erwartete.

Deswegen kann auch diese Geschichte Madeira nur zu einem Teil, vielleicht zu meinem persönlichen Teil, wiedergeben. Es gibt sicher einige sehr gute Reisebeschreibungen über die Örtlichkeiten der Insel, aber menschlich-persönliche Eindrücke dürften eher selten beschrieben worden sein.
Zur Lebensweise wird dieser Bericht interessante Einblicke geben.

Zu den nüchternen Angaben.

Madeira ist eine Insel im Atlantischen Ozean,
1000 km süd-westlich von
Portugal und 600 km westlich von Afrika.
Bei Afrika mag vielleicht der Begriff Casablanca aus dem gleichnamigen Film gewisse Erinnerungen hervorrufen. Tatsächlich liegt die Insel Madeira ungefähr auf dem selben Breitengrad.

Die Insel ist etwa 50 km lang und 20 km breit.
Vulkanischen Ursprungs verdankt sie ihre imposante Erscheinung.
Steile Klippen, sanfte Badebuchten, hohe Gebirge und Ebenen,
alles das trifft sich auf Madeira.

Kombiniert mit sehr gemäßigtem Klima ist Madeira als Insel des Ewigen Frühlings oder als Blumeninsel bekannt- obwohl der Name eigentlich Holzinsel bedeutet.

Sprachen sind Portugiesisch, Englisch; und auch Deutsch ist weit verbreitet.

Sämtliche modernen Einrichtungen sind vorhanden,
die Landeswährung ist ebenfalls Euro, gehört die Insel doch zur EU.
Reisen ist deshalb einfach.
Allerdings kommt der Reisende in eine wirklich gänzlich andere Welt;
in eine Welt der Gelassenheit, der Freundlichkeit, der Lebensfreude.

Der Abflug von Frankfurt ist schon spannend.

Die Freude über den gebuchten Platz mit dem Geruch des Flugzeuges nimmt Raum.
Dann kommt der gewaltige Schub, und die Luft hat uns alle. Für gut 4 Stunden.

Viel Land, viel Meer. Wunderschöner Sonnenaufgang zur Linken.
Man vermutet den afrikanischen Kontinent, die Sahara, hinter dem Sonnenaufgang.
Vorstimmung, Zappeligkeit kommt schon auf.

Dann zieht der Flieger neben Porto Santo, der Nachbarinsel, vorüber Richtung Madeira.

Da taucht es auf, direkt voraus. Madeira. Von hier aus überschaubar.
Eine bunte, steile Küste. Hohe Berge, Klippen. Weißer Saum.

Ja, gerade den Berg übersprungen - und schon ist wieder offenes Meer unter uns.
Und rechts die Insel. Grün, selbst von hier oben.
Ein weißer Saum am Ufer. Ein paar Buchten. Und tiefe Täler.
Schöne, helle Ortschaften. Lose Flecken, eingebettet in Grün.

Und dann der Flughafen Santa Cruz zur rechten. Da wollten wir doch hin.
Warum fliegen wir daran vorbei? Und so weit aufs Meer hinaus?

Aber dann eine sanfte Kurve nach rechts, direkt auf die Insel zu.
Dann gleich noch einmal rechts ab. Zusammen zwei enge Kurven,
die das Flugzeug mit sanft laufenden Triebwerken leicht vibrierend sicher meistert.

Und dann kommt die Landebahn insicht. Am Hang, im Meer, ins Meer hinein gebaut.

Wir sind noch hoch genug, um die Landebahn zu sehen.
Dann aufsetzen - ja, geschafft, einmal rumpeln.

Dann das übliche, raus aus dem Ding, endlich nach 4 Stunden.
Wieder Kerosin riechen.

Koffer geschnappt und raus aus dem Flughafen.
Erst einmal fühlen was hier so vor sich geht.

So warm hatte ich es mir nicht vorgestellt, und auch nicht so hell.
Und schon gar nicht so freundlich. So freundlich, so gelassen, so offen.

Dieser Eindruck kommt sofort beim Verlassen des Flugzeuges -
und natürlich vorhergesagt durch viele Gespräche. Ja, das Leben ist auf Madeira so nett, freundlich, höflich, zeitlos, luftig. Herrlich.

Am schönsten ist jedoch, daß ich abgeholt werde.
Der erste eigene bewußt aufgenommene Eindruck ist die wohltuende Wärme. Zusammen mit dem hellen Licht entsteht sofort eine gelöste Stimmung. Ein unbekannt leichtes Gefühl, hier immer zuhause sein zu können und zu mögen. Die Ahnung stellt sich ein, daß dies der Platz ist, hier immer leben zu können.

Eine gewisse Spannung, Neugier besteht, ob das denn nun wirklich alles so ist wie es mir mit sehr zu Herzen gehenden Worten beschrieben wurde. Und ob das erste Gefühl nicht doch nur eine kurze Zeit andauert, weil wieder etwas Unerfreuliches passiert.

Aber nein, ich habe nur erlebt, daß Madeira niemals enttäuscht, nicht enttäuschen kann, weil einfach die Menschen hier zu der Insel passen. Die Hetze des Kontinents kommt hier gar nicht hin. Der Kontinent ist weit weg. Und wir leben hier in unserer eigenen schönen und heilen Welt.

Natürlich muß das Herz offen sein. Wer ein verbohrtes Wesen hat, der kann sich auf Madeira ändern. Oder er wird nie wieder kommen.

Kein Drängeln bei der Kofferausgabe, fröhliche Gesichter rundum. Fröhliche Gesichter fallen mir sofort auf. Mundwinkel nach oben und gerader Blick sagen bereits, daß diese Menschen eine positive Einstellung zum Leben haben. Keine Hetze. Zufriedenheit.

Das war das zweite was ich auf Madeira sofort bemerkte.
Und der Eindruck änderte sich nicht, weil Madeirenser einfach so sind. Höflich, zuvorkommend, offen, lebenslustig, gelassen.

Nach den vielen neuen Eindrücken des ersten Tages sitzen wir nun auf dem Balkon mit Sicht auf den Atlantik. Eukalyptusblätter flüstern ganz sanft im lauen Abendwind.
Der Tee zur Nacht und die Ruhe lösen die Spannung etwas.


Die Sonne verschwindet, sie verabschiedet sich für heute mit wunderbaren Farben; sie verspricht, daß es ein Morgen geben wird.

Das Meer glänzt, die Nachbarinsel taucht farbig angestrahlt am Horizont auf.

In einem Baum singt noch eine Amsel.
Freut sie sich, daß auch der Baum im Abendrot strahlt?


Oder begleitet sie das ganz ferne Rauschen der Wellen am Strand.

Eine ganz sanfte Brise vom Meer her, mit Eukalyptus und noch unbekanntem Duft gemischt, liegt ganz leicht in der Luft. Die Luft ist hier auf der Insel ein sehr wichtiges Lebenselixier; ich meine, fühle, daß sie wie ein belebendes, aufweckendes Rauschmittel wirkt.

Wahrscheinlich ergeht es jedem Besucher der Insel ähnlich. Freiheit atmen, Ungezwungenheit, Mitmenschlichkeit. Das animiert sofort schon während der ersten Stunden auf der Insel. Man würde es bezeichnen wohl mit ’Seele baumeln lassen’. Dessen wird man sich sehr wohl bewußt.
Es liegt in der Luft. Weil einfach Hektik und Neid der Umwelt fehlen. Und es gibt keinen Zwang, niemand der seinem Nachbarn Bescheid sagt.

Dann kommen die Sehnsuchtsgedanken. Die Spinnereien? Das Fallenlassen.

 

Wo bin ich hier?
Wie weit reicht der Atlantik? Wo ist Südamerika? Casablanca?
Wo liegen die Canaren, wo sind die Cap Verden? Wo die Bahamas?
Verwechsele ich da was mit Mallorca und Grand Canaria, Palma?
Wo ist von hier aus St. Helena, eine ganz kleine Insel,
auf der ich mal während eines beruflichen Trips war vor 40 Jahren.
Sehen kann ich das alles nicht, natürlich nicht.
Aber doch den Globus umfahren in Gedanken.
Und dem entschwindenden Kreuzfahrtschiff am Horizont
glückliche und fröhliche Fahrt hinterher schicken.

Noch erscheint mir hier alles etwas unwirklich.
Nicht so recht greifbar, begreifbar.
Der Kopf ist voll und doch leer zugleich.
Verwirrt, ohne Kontrolle.

Ist es einfach der Eindruck etwas gänzlich Neuen?
Wahrscheinlich durch die Gelassenheit, die sich wohl langsam einstellen wird. Das gelingt nicht von einer Stunde zur anderen. Diese Gelassenheit muß regelrecht erfahren, erlernt werden. Obwohl ich eindringlich darauf vorbereitet wurde, daß hier die Uhren ganz anders gehen:
Zu unvorstellbar anders gehen sie – noch.

Die Gedanken wandern weiter.
Woher komme ich? Es erscheint mir so weit entfernt, fast so als wenn ich dort nur vorübergehend zu Besuch gewesen bin. Aber die meiste Zeit meines Lebens war ich wohl doch dort.

Und dann der Gedanke:
Warum muß ich das eigentlich alles wissen? Ergründen?
Wenn hier die Zeit doch ganz anders geht. Das Leben liegt doch in der Zukunft.
Als Rentner sowieso, da muß man nicht mehr springen und hecheln - und auch nicht immer der Erste der Truppe sein, sich nicht um das Wohl anderer kümmern müssen. Jetzt bin ich selber dran, an mich selber zu denken.

Die Insel animiert halt zum Nachdenken.
Zum Nachdenken in Ruhe, Gelassenheit, ohne Druck.

Woher kommt das? Wieso ist das so?
Ach was, muß ich auch das wirklich wissen?
Nein, ich werde mich daran erfreuen – einfach so.
Es ist halt so, ich erlebe es ja gerade.

Und ändern möchte ich das auch nicht.
Verbundenheit mit dieser Insel, mit diesem Land stellt sich ein.
Das kannte ich bisher noch nie, aber hier springt mich dieser
Eindruck, dieses Gefühl regelrecht an.
Kann das Heimat sein?

Es dauerte dann doch noch eine ganze Weile,
bis ich mich an ein so unterschiedliches Leben gewöhnen konnte.
Und es gelang mir beim ersten Besuch auch gar nicht richtig.

Aber ich kam ja wieder.

 

Nein, kam ich nicht (2020).
Eine Herzoperation (Vorsorge-Untersuchung, lebensbedrohendes Aneurysma Aorta asc mit neuer Klappe) schlug alles kaputt; ich hatte keine Chance mehr. Habe aber überlebt, und es geht mir hervorragend, keine Schwierigkeiten. Bloß so große 'Sprünge' sollte ich wohl lieber nicht mehr machen.

Deswegen - lebt solange ihr es genießen könnt. Das habe ich (81) getan, und es gibt nichts zu bereuen.

 

 

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